Neurofeedback
Beim Neurofeedback werden – ähnlich wie beim Biofeedback – biologische Prozesse zurückgemeldet. Allerdings handelt es sich hier nicht um periphere Parameter wie beispielsweise die Herzrate, sondern um die elektrische Aktivität des Gehirns (deshalb wird Neurofeedback auch als zentrales Biofeedback bezeichnet). Biologische Grundlage der Funktionsweise des Gehirns sind elektrochemische Prozesse der Zellkommunikation. Beim Training der Gehirnwellentätigkeit versucht man, auf die Wellentätigkeit Einfluss zu nehmen, indem bestimmte Frequenzbereiche in ihrer Amplitude bzw. Power erhöht oder erniedrigt werden. Es wird also auf den elektrischen "Output" der Gehirnaktivität Einfluss genommen, wodurch sich die Funktionsweise des Gehirns verändern soll. Beim Neurofeedbacktraining versucht die Klientin, ihre individuelle elektrische Gehirntätigkeit in eine bestimmte Richtung zu verändern.
Die Grundlage des Neurofeedbacks ist die elektrische Aktivität des Gehirns, die an der Schädeloberfläche durch das sog. "Elektroenzephalogramm" dargestellt werden kann. Dabei handelt es sich um die Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns mittels Elektroden an der Schädeloberfläche. Bei einem quantitativen EEG (QEEG) werden alle Ableitpositionen nach dem Internationalen 10-20-System erfasst.
Diese spezielle Ableitungsform dient in erster Linie der Diagnostik, im medizinischen wie im psychologischen Sinne. Die Unterschiede zwischen den fachlichen Domänen ergeben sich aus der Zielsetzung: während in der Medizin die Begutachtung der Morphologie der Welle im Mittelpunkt des Interesses steht, beschäftigt sich die wissenschaftliche und angewandte Psychologie mehr mit Amplitudenhöhen und Powerstärken, Amplituden- und Power-Verteilungen, Spektralanalysen, Kohärenz, Quellenanalysen und der Bestimmung von Ausgangspunkten für ein individualisiertes Training. Außerdem ist es nunmehr möglich, datenbankgestützte QEEG-Analysen vorzunehmen, wobei das individuelle Profil mit dem durchschnittlichen Profil einer Normpopulation verglichen wird. Durch diesen Abgleich lässt sich erkennen, wie weit ein individuelles Gehirnprofil von der Norm "entfernt" ist. Dies liefert wertvolle Hinweise für das Neurofeedbackprotokoll, welches dann zum Training eingesetzt wird. Des Weiteren ermöglichen datenbankgestützte Analysen eine Verlaufkontrolle der Trainingseffektivität. Für die Datenbankanalyse bzw. Quellenanalysen benutzen wir SKIL 3.0 (Sterman-Kaiser Imaging Laboratories, CA).
Unter dem Terminus "Neurofeedback" werden indes unterschiedlichste Trainingsformen zusammengefasst. Meistens wird darunter das sog. "Frequenzbandtraining" verstanden, wo mit einer uni- oder bipolaren Ableitung die Amplituden an einem bestimmten Ableitort der Schädeloberfläche in ihrer Höhe verändert werden (bzw. deren Power). Der zugrundeliegende Gedanke des Frequenzbandtrainings ist, dass sich Dysfunktionalitäten im Gehirn als Veränderungen in der Verteilung der Amplitudenstärken zeigen. So lässt sich zeigen, dass beispielsweise bei einer Aufmerksamkeitsstörung die langsamen Wellen (< 8 Hz) vor allem im Frontalkortex stark dominant sind im Vergleich zu den schnelleren Wellen. Hier bietet es sich an, die langsamen Wellen mit einem geeigneten Protokoll zu unterdrücken und/oder die schnellen Wellen in ihrer Aktivität zu steigern.
Das zugrundeliegende Lernprinzip des Neuro- wie des Biofeedbacks ist die operante Konditionierung ("Lernen am Erfolg"). Erfolgreiches Verhalten im Training wird verstärkt (Belohnung in Form einer ansprechenden Animation wie auch durch Verstärkung des Therapeuten), erfolgloses Verhalten wird nicht verstärkt bzw. ignoriert. Die Aufgabe der Klientin ist es, erwünschte Verhaltensweisen durch Konzentration und/oder Entspannung herbeizuführen und somit die Verstärkung möglichst oft zu erhalten. Das Prinzip des Lernens durch Belohung (operante Konditionierung) gilt gleichermaßen für alle Bio- und Neurofeedback-Settings.
Weitere Neurofeedback-Trainingsverfahren sind das Training der langsamen kortikalen Potenziale (SCPs: Slow Cortical Potentials, die Hämoenzephalographie). Die folgende Graphik verdeutlicht die verschiedenen Trainingsformen, die unter Neurofeedback subsumiert werden:

Was kann mit Frequenzbandtraining trainiert werden?
Theoretisch können mit Neurofeedback im klinischen Sinne alle Auffälligkeiten trainiert werden, die sich aus Störungen der Verteilung von Amplituden und Power feststellen lassen. Praktisch versuchen wir, uns an der vorherrschenden wissenschaftlichen Fundierung neuropsychologischer Forschung zu orientieren, d. h. vor allem diejenigen Protokolle werden in der Trainingspraxis mit den Klienten umgesetzt, zu denen auch eine empirische Befundlage vorliegt. Aber nicht nur der klinische Bereich ist ein Einsatzgebiet: auch im Hochleistungsbereich, wie z. B. im Sport, der Medizin der Musik/Kunst/Kultur oder anderweitig beruflich herausfordernden Domänen, die höchste Anforderungen an Präzision und Konzentration stellen, ist Neurofeedback indiziert:
Neurofeedback im klinischen Bereich:
- Epilepsie
- Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung
- Depressionen
- Migräne
- Sucht
- Zwangsstörungen und motorische Unruhe
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Altersbedingtes Nachlassen kognitiver Leistungsfähigkeit
- Chronische Schmerzzustände
- Autismus-Spektrum-Störungen
- Traumatische Hirnschädigung und Schlaganfall
- Schlafstörungen1
Neurofeedback im Hochleistungsbereich:
- Tiefenentspannung/Deep-States-Training
- Meditation
- Allgemeine Entspannung und Wohlbefinden
- Motorische Ruhe und Konzentration
- Punktgenaues Funktionieren
Die untenstehende Abbildung zeigt einen Trainingsbildschirm zum Theta/Beta-Ratio-Training, wie es beispielsweise in der Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung eingesetzt wird. Der Klient muss versuchen, die Ratio (linker Balken) unter der Schwelle zu halten, dann bewegt sich die Animation. Der Balken rechts zeigt die Artefaktkontrolle an, um muskuläre Verspannungen vor allem der Kiefer- und Gesichtsmuskulatur zu vermeiden. Der Trainingsbildschirm stammt von der der Fa. Mindmedia, das Softwarepaket ist BioTrace+.

Experimentell bedeutsame Befunde im klinischen Bereich gibt es auch zum Tinnitus (Dohrmann et al., 2007), die Umsetzung in standardisierte und einfach in der Praxis anzuwendende Neurofeedback-Protokolle steht aber noch aus. Neurofeedback für Tinnitus ist derzeit noch auf wissenschaftliche Anwendungen bzw. Forschungen beschränkt. Die im Moment gängigen Neurofeedback-Protokolle zum Tinnitus sind dem Bereich (Tiefen-)Entspannung/Meditation und Erholung zugeordnet, die durchaus sehr wirksam im Umgang mit der Belastung sein können, die Ohrgeräusche aber nicht vollends zum Verschwinden bringen können.
Mit wie vielen Sitzungen Neurofeedback muss ich rechnen?
Ein allgemeingültige Aussage zur Anzahl der Sitzungen ist nach derzeitigem Wissensstand nicht seriös zu machen. Im klinischen Bereich hängt es von der Schwere und Dauer der Störung, der individuellen Lernfähigkeit bzw. Lernerfahrung sowie der Compliance und Selbstwirksamkeitüberzeugung des Klienten ab. Frequenzbandtraining ist sicherlich am trainingsintensivsten. Weniger als 10 Sitzungen, wobei mindestens eine Sitzung pro Woche durchgeführt werden sollte, sind in der Regel als wenig effektiv einzustufen. Im Hochleistungsbereich wird die Lage differenzierter beurteilt, da in der Regel keine manifestierten Störungen vorliegen und "lediglich" eine Optimierung vorgenommen werden soll. Hier heißt es "Training nach Bedarf". Generell lässt sich festhalten: je länger die Störung bereits besteht und je änderungsresistenter sie sich bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, desto zeit- und kostenaufwändiger wird das Neurofeedbacktraining sein. Darüber hinaus sollte Bio- wie Neurofeedback immer als Teil einer umfassenden Therapie oder eines Coachings eingesetzt werden, eine Anwendung als Stand-alone-Therapie ist eher ungewöhnlich.
Mit welchen Kosten muss ich rechnen? Gibt es eine Rückerstattung?
Bezüglich Kosten bzw. (teilweiser) Rückerstattung durch die Krankenkassen wenden Sie sich bitte an uns. Weitere Informationen erhalten Sie auf Anfrage
Literatur
Demos, J. N. (2005). Getting started with Neurofeedback. New York: W. W. Norton & Company.
Dohrmann, K., Weisz, N., Schlee, W. Hartmann, T. & Elbert, T. (2007). Neurofeedback for treating tinnitus. Progress in brain research 166(554), 473-485.
Frauscher, C. & Holzinger, R. (2013). HEG – Hämoenzephalographie. Nahinfrarotspektroskopie als Neurofeedbackanwendung. Kefermarkt: Verlag Studio Weinberg.
Mayer, K., Wyckoff, S. N. & Strehl, U. (2013). One Size Fits All? Slow Cortical Potentials Neurofeedback: A Review. Journal of Attention Disorders, 17(5), 393-409.
Rockstroh, B., Elbert, T., Lutzenberger, W., & Birbaumer, N.(1990). Biofeedback: Evaluation and therapy in children with attentional dysfunctions. In A. Rothenberger (Ed.), Brain and behavior in child psychiatry. Berlin, Germany: Springer (345-355).
Rockstroh, B., Elbert, T., Birbaumer, N., Wolf, P., Düchting-R;th, A., Reker, M., Daum, I., Lutzenberger, W. & Dichgans, J. (1993). Cortical self-regulation in patients with epilepsies. Epilepsy Research, 14(1), 63-72.
Schneider, E. & Strauß, G. (2013). Training der Selbstkontrolle der langsamen kortikalen Potenziale. In K.-M. Haus, C. Held, A. Kowalski, A. Krombholz, M. Nowak, E., Schneider, G. Strauß & M. Wiedemann (Hrsg.), Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback. Berlin: Springer (61-88).
Strauß, G. (2013). Neuere Ansätze. In K.-M. Haus, C. Held, A. Kowalski, A. Krombholz, M. Nowak, E., Schneider, G. Strauß & M. Wiedemann (Hrsg.), Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback. Berlin: Springer (115-126).
Toomim, H. & Carmen, J. (2009). Hemoencephalography: Photon-based blood flow neurofeedback. In T. H. Budzynski, H. K. Budzynski, J. R. Evans, & A. Abarbanel (Eds), Introduction to quantitative EEG and Neurofeedback: Advanced Theory and Applications. Second Edition. Burlington: Elsevier, 169-194.